Vereine im Vogtland sollen mehr Geld für Prävention beim Thema Kinderschutz bekommen

Bislang gehen die Vereine zögerlich vor. Eine neue Richtlinie im Vogtland zeigt Wege auf, um das heiße Eisen anzupacken.

Plauen. Unter dem Titel "Neufassung der Sport-Förderrichtlinie" hat der Vogtlandkreis einen Beschluss von erheblicher Tragweite gefasst. Der Kreistagsausschuss Bildung, Kultur und Sport stimmte den Plänen des Landratsamtes zur Zahlung einer Sonderpauschale für jedes Sportvereinsmitglied unter 18 Jahren in Höhe von jährlich zwei Euro nicht nur zu, sondern verdoppelte den Betrag auf vier Euro. Dieses Geld dient dem Thema Kinderschutz und soll konkret die Abwehrmechanismen der gut 350 vogtländischen Sportvereine mit ihren 36.000 Mitgliedern gegen jedweden Kindesmissbrauch stärken. Zugleich gab der Ausschuss mit der Förderung ein klares Statement für den Vereinssport im Vogtland ab.

Bundesweit bekannt gewordene Fälle von Kindesmissbrauch haben den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und den Landessportbund (LSB) Sachsen auf den Plan gerufen. Erst im April sorgte der Fall eines verurteilten Sexualstraftäters mit pädophilen Neigungen für Aufsehen, der jahrelang als Fußball-Übungsleiter in einem westsächsischen Verein tätig war. Inzwischen zog der Verein die Reißleine. DOSB und LSB fordern die Vereine auf, alle Trainer und auch die ehrenamtlichen Übungsleiter präventiv zu schulen, um Missbrauch am besten von vornherein zu verhindern und - falls es dennoch zu Übergriffen kommt - Hinweise rechtzeitig zu erkennen und konsequent dagegen vorzugehen.

Und im Vogtland? Die "sensible und auch diffizile Thematik" Kinderschutz werde in den Sportvereinen "nur zögerlich angegangen", beschreibt der Beschluss den Ist-Zustand. Die Zahlung einer Pauschale soll "Anreize zur Etablierung von Präventionsmaßnahmen setzen". Vereine, die nachweislich Aufwand im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes betreiben, sollen das Geld erhalten, heißt es in den Erläuterungen des Beschlusses, der bereits am 15. März gefallen ist, aber erst jetzt den Weg in die Öffentlichkeit findet. Mitglieder des Kreistags-Sportausschusses betonen, das Vogtland sei ein Vorreiter in Sachsen und das Thema von größter Bedeutung - für die jungen Sportlerinnen und Sportler ebenso wie für deren Eltern, aber auch für Vereine, Trainer und Übungsleiter. Welchen Gesprächsbedarf es gibt, zeigt ein Blick aufs ungewöhnlich umfangreiche Protokoll der Ausschusssitzung.

Die Gretchenfrage jedoch, ob es im Vogtlandkreis Fälle von Kindesmissbrauch im Sport gibt, ließ sich nicht eindeutig beantworten. Es gebe "keine bekannten Fälle", erklärte Jan Rodewald aus dem Landratsamt. Dennoch fanden laut Medienberichten Gerichtsverfahren statt, wandte CDU-Kreisrat Lutz Kowalzick ein. Aus seiner gut 30-jährigen Tätigkeit als Jugendschöffe weiß FDP-Kreisrat Sven Gerbeth: "Es hat durchaus immer wieder diese Verhandlungen gegeben." Auch sei mit einer gewissen Dunkelziffer zu rechnen. Gerbeth warnte davor, das Missbrauchsthema klein zu reden oder beschönigend darzustellen. Die Pauschale sei dennoch ein "Schritt in die richtige Richtung", betonte der Liberale.

Vehement für eine höhere Pauschale ins Zeug gelegt hat sich Kreisrat Danny Przisambor (Grüne). Allein der Aufwand, die erforderlichen Lehrgänge umzusetzen, sei enorm. Rückenwind erhielt er von Oliver Großpietzsch, der auf die Tücken der Praxis verwies. Für Übungsleiter seien die Schulungen machbar, weil Kinderschutz in ihrer Lizenzausbildung thematisiert wird. Schwierig werde es bei Vereinsvorständen, die man ohnehin kaum gewinnen könne, argumentierte der Reichenbacher SPD-Stadtrat, Chef des Kreisfachverbandes Tischtennis und beratender Bürger im Sportausschuss. Da wartet viel Arbeit: Einberufung der Mitgliederversammlung, Erarbeitung neuer Satzungen samt Gang zum Notar und zum Amtsgericht. "Für die Vereine ist das schon eine Hürde", betonte Großpietzsch. Dabei geht es auch um Fragen der konkreten Umsetzung. Mit Lehrgängen und sogenannten Multiplikatorschulungen soll das Wissen in die Vereine getragen werden. Kreisbehörde, Kreissportbund und Sportjugend "lassen die Vereine nicht allein", betonte Jan Rodewald.

Hochzufrieden äußerte sich CDU-Kreisrat Stefan Fraas. Die Förderrichtlinie im Vogtland sei seit Beginn 1995 "ein Erfolgsmodell". Die jetzt gefundene Lösung berücksichtige alle Interessen. Wenn Kinder im Verein trainieren, bedeute das "nicht nur ethische Grundsätze zu beachten, sondern: Die Eltern geben ihre Kinder in die Verantwortung einer anderen Person". Kreissportbund-Geschäftsführer Michael Degenkolb nennt die Förderrichtlinie "äußerst positiv und ein starkes Signal". Er kündigt an, aktiv mit den Vereinen die Umsetzung anzugehen.

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